AlphaGo, ein von DeepMind erstelltes KI-Programm, schrieb 2016 Geschichte. In einem 5-Runden Turnier hatte es den Weltmeister Lee Sedol in dem komplexen Brettspiel “Go” geschlagen. Am Ende des Turniers lag das Augenmerk jedoch nicht nur auf dem Sieg der KI, sondern auch auf Spielzug 37, der für viele Expert:innen eine KI-Kreativität bewies.
Lee Sedol, 18-facher Weltmeister in Go, hatte 2019 seinen Rücktritt bekannt gegeben. Als Begründung nannte er die KI, die nicht besiegt werden kann. Diesbezüglich verwies er auf sein in 2016 gegen AlphaGo geführtes 5-Runden-Turnier in Go. Das chinesische Strategiespiel gilt mit seinen mehr als 10170 möglichen Zügen nicht nur als wohl ältestes, sondern auch als kompliziertes Brettspiel der Welt. Weiteres wird die Spielweise als besonders intuitiv bezeichnet, eine Eigenschaft, für die eine KI kaum bekannt ist.
“It’s a very intuitive game. If you ask a great Go player how it is they decided on a move, they’ll often tell you it felt right. So these things are generally computers are not great at.” – Demis Hassabis, CEO of DeepMind
Das Turnier: 5 Tage, 5 Spielrunden
Aufgrund dieser Aspekte hatten nur wenige mit einem Sieg von DeepMind’s KI-Programm AlphaGo gerechnet – vor allem nicht Lee Sedol. Während des auf fünf Tage aufgeteilten Spieles stachen insbesondere drei Spielzüge heraus.
Der erste war der komplexe Zug 102 von AlphaGo in Spielrunde 1, welcher den für sein Pokerface bekannten Weltmeister mit offenem Mund zurückließ. Dies war der Zeitpunkt, in dem er begriff, dass AlphaGo äußerst herausfordernd und unberechenbar spielt.
Lee Sedol vs. AlphaGo, Zug 107 Video-Zeitstempel 2:30:12
Der weltberühmte Zug 37
Der historisch bedeutsamere Moment erfolgte jedoch in der zweiten Runde mit dem ungewöhnlichen Zug 37. Der gesamte Raum spürte, dass durch ihn etwas Magisches passiert ist. Michael Redmond, Go-Profispieler, empfand ihn zunächst als seltsam. Chris Garlock, Live-Kommentator, dachte wie viele andere Zuseher:innen, dass es sich um einen Fehler handelte. Es stellte sich jedoch heraus, dass Zug 37 derart brillant war, dass er im ersten Augenblick kaum eingeordnet werden konnte. Diesbezüglich äußerte sich der Go-Meister Fan Hui nachfolgend:
“It’s not a human move. I’ve never seen a human play this move. So beautiful.”
Der sichtlich erstaunte Lee Sedol benötigte nach Zug 37 statt nicht wie üblich rund zwei Minuten sondern über 12 Minuten für seinen nächsten Spielzug. Am Ende des Turnieres verkündete er, dass er in diesem Moment realisiert hatte, das AlphaGo kreativ ist.
Lee Sedol vs. AlphaGo, Zug 37, Video-Zeitstempel 2:20
Zug 37: Ein Sieg für die KI-Kreativität
AlphaGo konnte schlussendlich mit 4:1 das Spiel für sich gewinnen. Ein Sieg, der vor allem durch den Zug 37 eine weltweite Faszination auslöste.
“I thought AlphaGo was based on probability calculation and that it was merely a machine. But when I saw this move, I changed my mind. Surely, AlphaGo is creative.” – Lee Sedol
Natürlich gab es auch Gegenstimmen, die eine KI-Kreativität verneinten. Unter anderem wurde hierzu das fehlende Bewusstsein von AlphaGo genannt.
Eine Kollaboration von Mensch und KI
Dass es allerdings um weit mehr ging, als einen bloßen Sieg, zeigte eine weitere Spielsequenz, die jedoch weitaus weniger Beachtung fand: Zug 78. Inspiriert von Zug 37 wurde dieser von Lee Sedol in Runde vier erfolgreich getätigt. So wurde er nicht nur als genauso wundervoll, wie sein Vorgänger bewertet, sondern verhalf Lee Sedol zu seinem – in diesem Turnier einzigen – Sieg.
Laut eigenen Aussagen hätte er diesen Spielzug vermutlich nie ausgeführt, wenn er nicht zuvor Zug 37 gesehen hätte. Demnach hatte eine KI einen 18-fachen Weltmeister zu einem für ihn völlig neuen und ungewöhnlichen Spielzug inspiriert.
Dies verdeutlicht, dass die Beziehung zwischen Mensch und KI nicht als ein Gegeneinander, sondern als ein Miteinander gesehen werden sollte. Als eine Kollaboration, die schlussendlich zu einer Erweiterung der menschlichen Kreativität führt anstelle ihres Ersatzes.